Wasserstoffwirtschaft in Ostdeutschland – Fachkräfte als Schlüssel zur Transformation

Die Transformation der Industrien hin zur Treibhausgasneutralität vollzieht sich inmitten einer krisenhaften Situation. Das macht diesen Wandel nicht einfacher. Dabei ist es essenziell, dass die Transformation nicht auf dem Rücken der Beschäftigten in den betroffenen Branchen ausgetragen werden darf. Ohne deren Zustimmung und ihre Beteiligung wird dieser Wandel nicht gelingen.

Seit ca. 2019 verliert die Industrie in Deutschland sukzessive Fachkräfte. Gründe dafür sind Werksschließungen und Verlagerungen von Produktionsstätten, auch und vor allem in Ostdeutschland. Mit dem Verlust dieser Fachkräfte fehlen aber diejenigen, die für den Aufbau neuer Industriezweige dringend gebraucht werden.
Dass der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft nur schleppend vorangeht, hat indes vor allem den Grund, dass sowohl Infrastruktur sowie Planungssicherheit fehlen. Aber auch eine relevante zukünftige Nachfrage in der Industrie nach Wasserstoff ist nicht ausreichend absehbar. Und doch bleibt die Aufgabe, für ausreichend Fachkräfte vorzusorgen.
„Wie kann dieser Übergang, speziell in Ostdeutschland, gelingen?“ war daher die zentrale Frage unseres Industrieecho – der Dialogreihe für eine nachhaltige Transformation am 2. Oktober 2025. Grundlage der Diskussion war unsere neue Studie „Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Ostdeutschland braucht Fachkräfte“, welche das WiFOR-Institute in unserem Auftrag erstellt hat. Und diese zeigt deutlich, dass ein Mangel an qualifizierten Fachkräften den Hochlauf gefährdet. Die Projektleitung hatte unsere Kollegin Dr. Indira Dupuis, die auch durch die Veranstaltung führte.

Florian Fickler (WiFOR-Institute) zeigte bei der Präsentation der Studienergebnisse die Herausforderungen und Chancen für die Chemie in Ostdeutschland mit Blick auf den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Projektideen für den Aufbau gibt es dort zwar ausreichend. Eine Marktabfrage der Bundesnetzagentur zeigt, dass die Einspeisung von Wasserstoff in Ostdeutschland bis 2035 deutlich steigen werde. Damit könnten die ostdeutschen Bundesländer nicht nur eigene Bedarfe decken, sondern auch in andere Regionen und ins Ausland exportieren. Gleichzeitig befinden sich der überwiegende Teil der gemeldeten Vorhaben in Genehmigungsverfahren und Machbarkeitsprüfungen, oder sind erst Projektideen. Die Fachkräftebasis müsste dennoch rechtzeitig aufgebaut werden – vor allem vor dem Hintergrund der stagnierenden Ausbildungszahlen. Ohne die nötigen Berufsbildungsinfrastrukturen und Ausbildungsplätze sowie bessere Rahmenbedingungen und eine Attraktivität für die Beschäftigten wird eine Fachkräftelücke entstehen. Der Erfolg des Wasserstoffhochlaufs entscheide sich am Arbeitsmarkt, so Florian Fickler.

Die Teilnehmenden der Diskussionsrunde – Dr. Nicola Brandt (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), Alexander Bercht (Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IGBCE), Thomas Kralinski (Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz) und Dr. Toni Grell (Center for the Transformation of Chemistry) – beleuchteten verschiedene Perspektiven:

Dr. Nicola Brandt verwies auf die Bedeutung einer vorausschauenden Weiterbildungspolitik und einer besseren regionalen Kooperation. Alexander Bercht betonte, dass ein Vertrauen in nachhaltige Industrie und Verlässlichkeit in Bezug auf die Rahmenbedingungen entscheidend sind, um Investitionen in realistische Projekte im Bereich der Wasserstoffwirtschaft und damit auch in Ausbildung langfristig zu sichern. Dr. Toni Grell wies darauf hin, dass 2027 im Center for the Transformation of Chemistry in Delitzsch ein Knotenpunkt entstehen soll, der Forschung, Ausbildung und Industrie enger miteinander verknüpft. Damit soll der Wissenstransfer in die Praxis beschleunigt und die Qualifizierung in Zukunftstechnologien systematisch ausgebaut werden.

Auch das politische Umfeld wurde in den Blick genommen. Der sächsische Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Kralinski hob hervor, dass Sachsen seine industrielle Basis erhalten und zugleich zu einem führenden Standort der Wasserstoffwirtschaft ausbauen will. Neue Forschungscluster und regionale Förderstrukturen sollen diesen Wandel unterstützen.

In der Diskussion mit den Teilnehmenden wurde deutlich, dass der Wasserstoffhochlauf in Ostdeutschland noch mit vielen Unsicherheiten verbunden ist. Skepsis besteht vor allem hinsichtlich der Realisierbarkeit geplanter Projekte, der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien und der Nachfrageentwicklung. Gleichzeitig zeigte sich ein breiter Konsens, dass der Umbau der Industrie nur mit einer aktiven Fachkräftepolitik gelingen kann – durch Akzeptanz von Industrie und Attraktivität der nachhaltigen Industriebranchen, gezielte Weiterbildung, engere Kooperationen und eine bessere Kommunikation der Chancen für junge Menschen in der Region.

Das Industrieecho machte deutlich, dass der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft weit über Fragen zum reinen Ausbau der Netze hinausgeht. Er erfordert eine enge Abstimmung zwischen Politik, Wirtschaft, Bildungseinrichtungen und Gewerkschaften – und den Willen, die industrielle Transformation sozial zu gestalten.