Literaturtipp:

Israel 7. Oktober. Protokoll eines Anschlags

Lee Yaron

Die israelische Journalistin Lee Yaron porträtierte für das „New York Magazin“ im Oktober 2023 elf Familien, deren Angehörige am 7. Oktober 2023 entführt oder ermordet wurden. Sie sind die Grundlage dieses Buchs.

Die Autorin klagt mit ihrem Buch nicht an. Sie rechtfertigt keine politischen oder militärischen Entscheidungen. Sie gibt den Getöteten, Verwundeten und Überlebenden des Terroranschlags der Hamas auf Israel sowie deren Angehörigen ein Gesicht und eine Stimme. Es sind individuelle Geschichten, die das Trauma deutlich machen und die Bedeutung des 7. Oktobers 2023 für Jüd:innen nicht nur in Israel, sondern weltweit, zeigen. Es sind Bilder und Geschichten, die einen nicht loslassen. Dieses Buch ist keine leichte Urlaubslektüre. Es enthält brutale Schilderungen von Gewalt. Es ist Dokumentation und Mahnmal zugleich. Und deswegen wichtig.

Für ihr Buch interviewte sie Angehörige der Opfer und Überlebende des Angriffs. Darüber hinaus hatte sie Zugang zu Abschriften von Telefonaten und Textnachrichten, die die Menschen teilweise kurz vor ihrem Tod verfassten. Daraus entwickelt Yaron szenische Dialoge und bettet diese in die verschiedenen Schauplätze des Anschlags ein: unter anderem das Musikfestival „Tribe of Nova“ (360 Besucher:innen wurden ermordet, 44 wurden als Geiseln verschleppt) und das Kibbutz Be’eri (mehr als 100 Bewohner:innen wurden getötet, 30 Menschen als Geiseln verschleppt).
Sie erklärt jüdische Traditionen, wie das „Schiwa-Sitzen“ – eine rituelle Trauerzeit, in der die Angehörigen nach der Beerdigung für sieben Tage zusammenkommen. Und vor welchen Herausforderungen die Menschen in Israel standen. Denn die Tradition sagt nicht, wie man um Sohn, Tochter, Vater und Mutter gleichzeitig trauert. Yaron erklärt das jüdische Bestattungsritual, das vorsieht, dass eine Beerdigung innerhalb von 24 Stunden stattfinden sollte. Landesweit waren mehr als 1.000 Todesopfer zu beklagen, in den Tagen nach dem Anschlag herrschte Chaos. Und, so nüchtern es klingt: Die Kühlhäuser waren überfüllt, Friedhöfe mit den Anfragen und der Organisation überfordert, es dauerte Tage, bis Menschen identifiziert werden konnten.

Das Buch ist die Chronik eines Tages, der in die Geschichte Israels, des Nahen Ostens und der ganzen Welt eingehen wird, und zugleich ein literarisches Denkmal für die Opfer.

Durch den Terroranschlag der Hamas und mit ihr verbündeter Kämpfer kamen rund 1.200 Menschen ums Leben. 251 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Noch immer befinden sich 58 Menschen in der Gewalt der Hamas (Stand 14.5.2025). 34 von ihnen sind vermutlich nicht mehr am Leben.


Israel 7. Oktober. Protokoll eines Anschlags
von Lee Yaron

S. Fischer Verlag,
Erschienen am 11.09.2024, 320 Seiten, Gebundene Ausgabe
26 Euro

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