Energiearmut wird für viele Haushalte zunehmend zum Problem

Langzeitstudie des RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung zur Energiekostenbelastung für private Haushalte vorgestellt

Berlin. Die deutsche Energiewende in ihrer jetzigen Form entfaltet nicht wünschenswerte verteilungspolitische Wirkungen: Die Kosten für Strom sind in den vergangenen Jahren gestiegen und werden voraussichtlich weiter wachsen. Dies belastet speziell Haushalte mit geringem Einkommen. Das ist das eindeutige Ergebnis der Studie „Der Preis der Energiewende: Anstieg der Kostenbelastung einkommensschwacher Haushalte“, welche das RWI Leibniz- Institut für Wirtschaftsforschung auf Anregung der Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE im Dezember 2018 geschrieben hat.

„Die von uns betrachteten Typen von einkommensschwachen Haushalte haben im Jahr 2016 allesamt mehr für Strom ausgegeben als zur Deckung ihres Energiebedarfs zum Heizen und zur Warmwassererzeugung. Damit stellt sich immer drängender die Frage nach Maßnahmen zur Abschwächung von weiteren Strompreisanstiegen und zur sozialen Abfederung ihrer regressiven Wirkungen“, sagt Dr. Manuel Frondel, Autor der Studie.

„Die Studie rückt die Entwicklung der Energiekosten jener Haushalte in den Fokus, die nur über ein geringes Einkommen verfügen. Die Energiewende ist richtig und wichtig, aber die Studie zeigt, dass sie mit dem jetzigen Finanzierungsrahmen mit deutlichen verteilungspolitischen Schieflagen verbunden sind. Um die langfristigen Akzeptanz der Energiewende zu sichern, dürfen ihre Auswirkungen nicht dazu führen, die soziale Spaltung in Deutschland zu vergrößern“, erklärt Dr. Kajsa Borgnäs, Geschäftsführerin der Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE.

Regressive Verteilungswirkung

Die vorliegende Studie ist eine Neuauflage der 2014er Studie von Frondel und Sommer zur Stromkostenbelastung einkommensschwacher Haushalte. Sie untersucht, inwieweit die Energiewende zu einer höheren Kostenbelastung für einkommensschwache Haushalte in den Jahren 2006 bis 2016 geführt hat.

Dafür wurden drei Haushaltstypen mit geringem Einkommen untersucht. Folgende Ergebnisse liegen nun vor:

  • Die Stromkosten eines alleinstehenden Arbeitslosengeld-II- Empfängers lagen im Jahr 2016 bei knapp 6,4 Prozent der Bezüge und damit 1,6 Prozentpunkte höher als im Jahr 2006.
  • Alleinstehende Rentner mit geringem Renteneinkommen wandten 2016 6,3 Prozent ihres Einkommens für Stromkosten auf und damit 1,3 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2006.
  • Armutsgefährdete Dreipersonenhaushalte verwendeten im Jahr 2016 rund 5 Prozent ihres Einkommens für Strom auf. Dieser Anteil hat sich seit 2006 um 0,74 Prozentpunkte erhöht.

Zum Vergleich: Der Stromkostenanteil bei wohlhabenden Drei-Personen- Haushalten machte im Jahr 2016 rund 1,5 Prozent des Einkommens aus, und ist in dem betrachteten Zeitraum kaum gestiegen.

Damit zeigt sich, dass die steigenden Strompreise die mit der Entwicklung der EEG-Kosten verbunden sind, eine regressive Verteilungswirkung entfalten. Einkommensschwache Haushalte geben einen größeren Anteil ihres Einkommens zur Deckung ihres Elektrizitätsbedarfs aus als Haushalte mit einem hohen Einkommen, und ihren Stromkostenanteil steigt weiter. Die Autoren erwarten in den kommenden Jahren noch weiter steigende Strompreise sowie Umlagen und Abgaben (bspw. Netzentgelte und KWK- Umlage).

Energiepreise und Verteilungswirkungen gehört auf der energie- sowie sozialpolitischen Agenda

„Es ist deutlich, dass die Energiepreise bis heute weder Bestandteil der Politik sind, um die steigenden Wohnkosten zu bekämpfen noch Teil einer sozialpolitischen Agenda, um einkommensschwache Haushalte zu unterstützen. Das ist um zu weniger hinzunehmen, da der Energieverbrauch speziell von den einkommensschwachen Haushalten, die zur Miete wohnen, nur bedingt zu beeinflussen ist. Ein Umsteuern auf verteilungsgerechtere Finanzierungsrahmen der Energiewende ist für die langfristige Akzeptanz notwendig”, betont Dr. Kajsa Borgnäs.

Die komplette Studie und weitere Informationen finden Sie im Internet unter diesem Link

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