Konferenz der Stiftung Arbeit und Umwelt
Transformation: Einiges „To-Do“
Quelle: Axel Stefan Sonntag / IGBCE
Prominent besetzt war die inzwischen dritte Veranstaltung der Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE zum Thema Transformation. Inhaltlich suchten hochrangige Politiker nach Wegen, den Industriestandort Deutschland zu sichern – und forderten dafür, gemeinsam mit der IGBCE, ein Update in der Europapolitik.
Welche Relevanz die Veranstaltung der Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE hatte, machte alleine schon die Tatsache deutlich, dass die Nachrichtenagentur dpa diese in die für Medienvertreter*innen bundesweit wichtigen Termine des Tages übernahm. „To Do: Transformation“ nannte sich die industriepolitische Konferenz, in der es absichtlich nicht darum gehen sollte, abstrakt zu diskutieren. Vielmehr war das Ziel, konkrete Aufgaben und Lösungen aufzuzeigen, um die Industrien mitsamt ihren Arbeitsplätzen auf einem realistischen Transformationspfad hin zur Treibhausgasneutralität zu halten oder dorthin zu führen, ohne dabei ihre wirtschaftlichen Grundlagen zu zerstören.
Rheinland-Pfalz mit Transformationsrat
Passend gewählt war der Veranstaltungsort, die Landesvertretung von Rheinland-Pfalz in Berlin. Denn das Land hat bereits einiges beim Thema Transformation geleistet, wie Britta Lenz, Ständige Vertreterin der Bevollmächtigten des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien, Staatssekretärin Heike Raab, darstellte. 2020 gründete es den Transformationsrat, mit dem das Bundesland „Gewinnerland der Transformation“ werden will, so Lenz. „Wir sind einer der drei Top-Chemie-Standorte in Deutschland und wir wollen es bleiben.“
Robert Habeck will den Industriestrompreis
In der Gesprächsrunde zwischen Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IGBCE und Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, vertieften beide die „To-Dos“ für die Bundesebene. Erneut warb der Minister für einen Industriestrompreis – und fand bei Michael Vassiliadis großen Zuspruch. Der Gewerkschafter betonte: „Es geht nicht um Subventionen. Es geht darum, ob wir eine energieintensive Industrie in Deutschland und Europa haben wollen. Und es geht darum, einen subventionierten Industriestrompreis mit Transformationsimpulsen zu verbinden.“ Habeck zeigte sich auch offen dafür, Tariftreue als Voraussetzung von Subventionen zu machen, „um nicht nur den Shareholder Value zu stärken“.
Ideen aus den Bundesländern
Viel „To-Do“ gibt es ebenso in den Bundesländern. Dazu waren drei Wirtschaftsminister*innen und ein Vorstandsmitglied der BASF SE vor Ort. Einige Beispiele aus deren Agenda: Jörg Steinbach, Wirtschaftsminister in Brandenburg, kritisierte, dass in den mathematisch-wissenschaftlichen Fächern „zu hochtrabend“ unterrichtet werde. Auch müssten sich wieder mehr Lehrer trauen, Schüler praktisch arbeiten zu lassen. Mit Blick auf die Investitionsentscheidung für Tesla in seinem Bundesland forderte Steinbach eine höhere Risikobereitschaft der deutschen Industrie. Die aber sei laut Melanie Maas-Brunner, Mitglied des Vorstands bei der BASF SE, vorhanden: Das Unternehmen stecke jährlich 2,3 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Doch der europäische „Green Deal“ sei ein Hemmschuh. So betrachte beispielsweise die US-Wirtschaftspolitik CO2-Minimierung als Geschäftsmodell, es herrsche ein ganz anderes Investitionsklima. Auch deshalb müsse es hierzulande darum gehen, die Zulassung von Produktions- und Genehmigungsverfahren zu verkürzen, so Daniela Schmitt, Wirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz. „Da müssen wir Zöpfe abschneiden.“ Ihre Kollegin aus Nordrhein-Westfalen, Mona Neubaur, berichtete, dass das Land mit der Plattform Fin.Connect.NRW unterschiedliche Akteure des Finanzmarktes zusammengebracht habe, um gemeinsam Investitionstätigkeiten in der wirtschaftlichen Transformation zu schultern. Michael Vassiliadis sah im Verlauf der Diskussion vor allem die europäische Ebene gefordert: „Wir müssen Europa neu denken – das heißt, Europa gleichzeitig zu stärken und zu entschlacken.“
Naturschutz als Vorwand?
Wie man schneller in punkto Infrastruktur für die Transformation vorankommt, dazu tauschten sich Birgit Biermann, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IGBCE und Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, aus. Niebert berichtete davon, dass Bürger*innen und -initiativen oftmals Naturschutzanliegen vorschieben, um Vorhaben jeglicher Art grundsätzlich zu verhindern. Für ihn besteht ein Ausweg darin, Menschen frühzeitig – und informell – zu beteiligen. „Dann laufen die Verfahren besser, schneller und sind weniger fehleranfällig.“
Biotechnologie als Chance begreifen
Zum nötigen europäischen Rahmen der Industriepolitik skizzierte Francesco Grioli, Mitglied im geschäftsführenden Hauptvorstand der IGBCE, Ideen und Ansätze. So berge die Biotechnologie-Branche viele Chancen, denen man aber in der Vergangenheit auf dem Kontinent tendenziell ablehnend gegenüber stand. „Wir brauchen zudem eine europäische industriepolitische Daseinsvorsorge, um Abhängigkeiten zu verringern und Lieferketten zu schließen“, so Grioli. Ein Argument, welches Bernd Lange, Vorsitzender des Ausschusses für Internationalen Handel im Europäischen Parlament, dankend aufnahm. So seien die Recyclingquoten von Lithiumakkus mit 10 bis 30 Prozent viel zu gering. Er sieht hier Möglichkeiten, einen neuen Industriezweig zu etablieren.
Konstruktive Diskussion
Andrea Arcais, Geschäftsführer der Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE, sah am Ende der Veranstaltung die „To-Do-Listen“ zwar weiter wachsen, blickte aber auf eine fachlich und sachlich gelungene Konferenz zurück: „Es war gut, dass wir nicht versuchten, eine Talkshow nachzuahmen“, kommentierte er. Abschließend bat er Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor bei der Hans-Böckler-Stiftung, auf die Bühne. Sozusagen als Überraschungsgast, denn im Programm war er nicht aufgeführt. Arcais wollte noch wissen, wo denn die Gelder für all die Transformations- Vorhaben herkommen sollten. Aktuell sieht Dullien noch Möglichkeiten darin, dass von den für die Gas- und Strompreisbremsen reservierten Mittel noch Gelder übrig bleiben könnten. Doch insbesondere in der nächsten Legislaturperiode gehe es darum, über Dinge wie einen „Energie-Soli“ für Besserverdienende und eine Vermögensabgabe neu nachzudenken.